Vorhaben
"Von befreundeter Seite wurde mir die Anlage einer Geflügelfarm empfohlen. Einer der bekanntesten Fachleute in dieser Branche erbrachte mir an Hand von Bilanzen den Nachweis, daß eine Geflügelfarm, im großen betrieben, mein gesamtes Vermögen verzinsen würde.
Ich entschloß mich daher, weitere Güter in Ostrau zu kaufen. Aber dies geschah keineswegs nur wegen der Anlage einer Geflügelfarm, nein, ich hatte einen weiteren, viel größeren Plan gefaßt.
Das war die Anlage eines Weltsportplatzes.
Am 1.April 1908 kaufte ich drei weitere Güter in Ostrau. Das Hentzschelsche Gut bestimmte ich für die Geflügelfarm und ließ durch Baumeister Nendel im Verein mit meinem technischen Direktor die nötigen baulichen Anlagen herstellen.
Bekanntlich werden derartige Anlagen immer weit kostspieliger, als wie sie veranschlagt sind. Dazu kamen die Anschaffungen von neunundvierzig Brutöfen und dem, was sonst noch eine Geflügelfarm, im großen betrieben, benötigt.
Auch dies alles mußte aus meinen Mitteln geschaffen werden. Zwölftausend Eier wurden zum Anfang gleichzeitig in die Brutöfen gelegt. Nur zirka 60 Prozent wurden ausgebrütet. Aber der hinkende Bote kam nach. Die Hälfte der kleinen Geschöpfe verendete nach wenigen Tagen und die zweitausend jungen Hühner, die schließlich verkaufsfähig waren, kosteten mich dreimal so viel, als ich dafür erhielt.
Ich kam daher bald zu der Überzeugung, daß ich aus diesen Anlagen eine Verzinsung meiner Güter nicht erzielen konnte. Im Gegenteil kostete mich das Experiment zirka 150 000 Mark.
Da ich außer diesen an sich schon sehr hohen Summen dieses Neu-Schandau-Unternehmens auch noch anderweit stark engagiert war, wurde mein Finanzminister genötigt, Gelder aufzunehmen, und dies konnte nur dadurch geschehen, daß ich meine verschiedenen Grundstücke mit weiteren Hypotheken belastete. Sie würden erschrecken, wenn ich Ihnen die Höhe der Summe angäbe, die bereits in das Neu-Schandau-Unternehmen geflossen war.
Durch den Gartenbaudirektor Bertram in Blaßewitz ließ ich nunmehr einen Plan für den schon erwähnten Sportplatz ausarbeiten. Für diesen waren die Grundstücke vom Wolfsgraben bis zum Zahnsgrund geeignet. Sie umfaßt eine Fläche von fünfhunderttausend Quadratmetern. Auch hier war die Straßenanlage an erster Stelle vorgesehen, und da die einzige Zufahrtsstraße nach Ostrau, die bekanntlich im Kirnitschtal unterhalb des Schützenhauses nach der Höhe führt, für meine Zwecke ganz unzugänglich war, wurde eine zweite Zufahrtsstraße von Postelwitz aus durch einen Teil des Zahnsgrundes bei der Schrammsteinbaude nach der Höhe projektiert.
Ferner war ein zweiter, weit größerer elektrischer Aufzug vorgesehen, der am äußersten Ende von Postelwitz erbaut werden sollte. Der Weltsportplatz sollte allen Sportrichtungen in höchster Vollendung dienen.
Für jede einzelne Sportabteilung waren Klubhäuser, mit Bädern und allen Bequemlichkeiten versehen, gedacht. Selbstverständlich auch ein entsprechend großes Sporthotel mit vorteilhafter und auserwählter Unterkunft für alle Klubmitglieder. Dieses Sporthotel sollte an der schönsten Stelle des Sportplatzes seinen Platz finden und zwar in fünfzig Meter Entfernung von der bekannten Emmabank. Da auch der Renn-und Automobilsport vertreten sein sollte, wurde eine eigene Automobilstraße in einer Länge von vier Kilometern und zwar auf eigenem Grund und Boden geplant. Für den Rennsport waren von fachkundiger Seite alle Vorbedingungen ins Auge gefaßt, auch für die nötigen Tribünen und Stallungen war gesorgt. Um das Gelingen dieses großen Planes finanziell zu sichern, trat ich in Verbindung mit in-und ausländischen Sportvereinen, um gemeinsam mit diesen einen Weltsportklub zu gründen, durch dessen Mitglieder und deren Jahresbeiträge die finanzielle Sicherheit dieser Anlagen gesichert werden sollte. Die maßgebendsten Persönlichkeiten aus Sportkreisen hatte ich als Sachverständige gewonnen. Sie alle fanden die projektierten Anlagen, sowie die Lage des gesamten Terrains zweckentsprechend und in ihrer Eigenart und Schönheit trotz gewisser Schwierigkeiten für durchführbar und aussichtsvoll.
Auch die geographische Lage Schandaus entsprach allen Erwartungen für ein solches Weltunternehmen. Unter all diesen Arbeiten, Verhandlungen und Bemühungen waren weitere drei Jahre vergangen.
Die gartenlosen Anlagen in Neu-Schandau, die prächtige Lindenallee längs der Landhäuser, sowie eine Plantage von tausend Obstbäumen hatte sich zusehends entwickelt. Das Gesamtbild wurde von Jahr zu Jahr schöner.
Eine vornehme Fremdenkolonie fand wirtschaftlichen Gefallen an diesen Schöpfungen, aber alle diese Anerkennungen und Bewunderungen konnten meine finanzielle Position nicht gesunden lassen.
Alle meine Versuche, eine deutsche Finanzgesellschaft für dieses zukunftsreiche Unternehmen zu interessieren, waren vergeblich. Die damaligen Geldverhältnisse mochten wohl die Hauptursache gewesen sein. Meine reichen Freunde hatten mir gewaltige Summen zur Verfügung gestellt. Aber es hat eben alles seine Grenzen. Ich mußte mir daher anderweitig Geldquellen besorgen und ich fand sie. Eine Frankfurter Hypothekenbank bot mir an erster Stelle auf meinem gesamten Besitz, der mittlerweile eine Größe von zwei Millionen Quadratmeter erreicht hatte, 1 1/4 Million, aber leider nicht in bar, sondern in Obligationen großer Bergwerksunternehmen, deren Zinsen von dem bekannten und reichen Grafen Fürstenberg garantiert waren.
Man kann sich meinen Jubel und mein Glück vorstellen, da ich dadurch in die glückliche Lage kam, allen meinen Verpflichtungen spielend nachzukommen.
Aber das Schicksal hatte es anders beschlossen.
Als ich zur Deutschen und Dresdner Bank kam, um meine Obligationen mit einer halben Million beleihen zu lassen, stellte sich nach genauer Prüfung heraus, daß die Unterschrift des Generaldirektors, des Grafen Fürstenberg, für die Zinsgarantie gefälscht war, und damit war mir die Möglichkeit, Gelder aufzunehmen, genommen. Die 1 1/4 Million Obligationen waren damals für mich so gut wie wertlos; heute, nachdem ein Prozeß in erster Instanz gewonnen ist, können sie wieder wertvoll werden.
Leider war ich genötigt, diese Obligationen unter meine Gläubiger zu verteilen. Sieben volle Jahre hatte ich Tag und Nacht meinem Neu-Schandau-Unternehmen geopfert und schließlich doch immer nur in Nebenarbeit, denn meine großen Hotel- und sonstigen Unternehmungen (ich war noch immer Generaldirektor der Sendig-Hotels in Schandau, Dresden, Nürnberg und Wiesbaden) beanspruchten meine Hauptkraft in vollem Maße. Man möge erkennen, wie gewaltig diese Enttäuschung durch die fast wertlosen Obligationen für mich war; aber ich hielt tapfer aus. Noch einmal leuchtete mir ein freundlicher Stern. Ich fand, da mir deutsches Kapital verschlossen blieb, ein englisches Konsortium durch Vermittlung eines Hamburger Finanzagenten, namens Ettelbittel, der nach genauer Prüfung aller vorhandenen und mir gehörigen Werte die Gründung einer Aktiengesellschaft in London vermittelte und durchsetzte.
Dieses für mich und meine Unternehmungen so wichtige Ereignis geschah im Frühjahr 1913. Also immer noch ein reichliches Jahr vor dem Ausbruch des unsehligen Krieges.
In Paris traf ich mit den Herren von London und meinem Rechtsbeistand in dem Grand Hotel Elisee zusammen, und der Verkauf an die gegründete Aktiengesellschaft wurde notariell zum Abschluß gebracht. Die Kaufsumme von einer Million Pfund Sterling war nicht nur für die vorhandenen Werte, sondern auch für alle für die Fertigstellung des Weltsportplatzes vorgegebenen baulichen und sonstigen Anlagen reichlich bemessen.
Diese Gründung und die Gewinnung des englischen Konsortiums hatten weitere große finanzielle Opfer gekostet. Aber ich hatte sie gern gebracht, war ich doch durch diese nach menschlichen Begriffen jeder finanzielllen Sorge enthoben und konnte nunmehr an die Durchführung meines großen Weltsportplatzes herangehen Und nun kommt das Tragische der Neu-Schandau-Ostrau-Schöpfung. Diese Tragik wurde durch den damals schon in England gegen Deutschland beschlossenen Krieg verursacht. Laut notariellen Vertrages sollte ich die mir zustehende Kaufsumme aus den an der Londoner Börse zu verkaufenden Pfund-Shares erhalten, und als diese Shares an der Londoner Börse aufgelegt wurden, hatte sich in den maßgebenden Finanzblättern eine vernichtende Propaganda gebildet, die gegen diese Weltsportaktion Stellung nahm und vor dem Kauf derselben aus politischen Gründen warnte, da die Deutschen so schon stark genug wären und durch einen großzügigen Sport noch stärker werden würden. Gegen solche Mächte konnten meine Londoner Finanzfreunde nicht aufkommen. Für mich war nun die Schlacht verloren.
Ich mußte nun den Kampf aufgeben.
Meine herrliche Besitzungen mußte ich an meine Gläubiger abtreten; sie wurden zu Schleuderpreisen verkauft."



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